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Werner R. Gawlik

Mein Leben mit dem Verbrechen

Die Stimmung ist ausgelassen. Die Gäste schlürfen gerade genussvoll an ihrem Getränk. Da bricht ein Gast tot zusammen. Seit 2006 erlebe ich Abend für Abend einen Mord. Ein Gutes hat die Sache: die Morde passieren nicht in stinkigen dunklen Gassen, sondern immer an exklusiven Plätzen.
Selbst nach diesen vielen Jahren ist für mich jeder Abend aufregend und Adrenalin geschwängert, denn ich selbst habe die Morde akribisch geplant, und vor jeder Tat weiß ich nie, wie präzise sie ausgeführt wird. Das Wichtigste, so habe ich gelernt, ist Präzision und Timing. Seit 2006 kommen mir nun schon diese Mordgedanken, und mit jedem neuen Tötungsdelikt wird es noch ein Stück spannender und komplexer.

Aber das war nicht immer so. Ende 2005 (da war ich 51) habe ich mich entschlossen, aus meinem damaligen (erfolgreichen, aber ohne besondere Höhen und Tiefen ablaufenden) Leben auszusteigen und in die Abgründe der menschlichen Seele einzutauchen.
Geschäftsführer von internationalen HighTec-Firmen. Das ist doch nicht langweilig, sagen Sie jetzt vielleicht. Und vielleicht haben Sie sogar Recht, denn in meinem "früheren Leben" habe ich nicht nur Satelliten gebaut und diese im Weltraum positioniert, sondern bereits da persönliche Erfahrungen mit dem kriminellen Milieu gesammelt.

Als Geschäftsführer einer großen amerikanischen Telekommunikationsfirma habe ich zusammen mit LKA, BKA und dem amerikanischen Secret Service Cyber-Verbrecher gejagt und hinter Schloss und Riegel gebracht. Der (negative) Höhepunkt war das Aufdecken eines sehr großen internationalen Wirtschafts- und Cyber-Kriminalitätsringes.

Danach wurden meine Familie und ich von einer mafiösen Organisation sehr energisch und nachdrücklich mit dem Leben bedroht. Das war zwar nicht langweilig, aber auch nicht lustig. Deswegen habe ich mich dann auch wieder aus diesem Bereich zurückgezogen.

Aber warum ausgerechnet Dinner-Theater bzw. Live-Krimis beim Dinner? Jetzt muss ich noch etwas weiter in die Vergangenheit zurück. Ins Jahr 1962. Es war ein bitterkalter Winterabend in einem kleinen unterfränkischen Dorf. In meinem Zimmer, keine Heizung (wir hatten nur einen Ölofen im Wohn-/Esszimmer). Selbst das Wasser in meinem Potchamber war gefroren. Ja, so etwas stand noch in meinem Zimmer, denn zu dieser Zeit hatten wir nur ein Plumpsklo auf dem Hof. Fränkische dörfliche Nachkriegsidylle pur. Bei mir auf der Couch fünf blaugefrorene, aber entschlossene junge Männer (ja als Männer haben wir uns mit unseren immerhin 8 Jahren gefühlt), die ein großes Projekt geplant haben: ein Puppentheater. Und nachdem wir sehr entschlossen waren, haben wir das auch realisiert. Eine ausgesägte Stalltür wurde zur Bühne, Balken von der Zimmerei nebenan zur Tribüne, von gesammelten Spenden wurden Puppen und Textbücher gekauft, und los ging es nach den Proben mit etlichen Aufführungen vor bis zu 70 Zuschauern.

Selbst Lobeshymnen vom örtlichen Bürgermeister blieben nicht aus. Aber jetzt kommt der Clou: auch damals wussten wir bereits, dass unsere Zuschauer von Kunst alleine nicht satt werden, und haben deshalb zum Kinderkrimi "Räuber Hotzenplotz" Butterbrezen und selbstgemachte Limonade verkauft (Krimi-Theater mit Essen und Trinken : Dine & Crime). Ein anderes Schlüsselerlebnis hatte ich dann noch auf der Schulbühne, als mein bester Freund und ich zu Weihnachten das Stück "Lippl steh' auf vom Schlaf!" (die bayerische Theaterversion eines schlesischen Volksliedes) aufgeführt haben. Das war mein erster, und für lange Zeit letzter, tosender Beifall, den ich erhalten habe. Ich hatte bei dem Applaus allerdings nur Blicke für die Mädchen im Zuschauerraum, die mir verliebte Blicke zugeworfen haben. Erst später habe ich begriffen: Erfolg macht sexy.

Mit 10 ging ich aufs Gymnasium in die nahe gelegene Stadt, denn meine Eltern wollten natürlich, dass aus mir mal etwas Besseres wird. Mit wachsenden schulischen Pflichten und weniger Kontakt zu meinen Freunden im Dorf hat sich auch unser Puppentheater langsam in Luft aufgelöst, und meine Theaterkarriere wurde für lange Zeit auf Eis gelegt. Nach dem Abitur hätte ich natürlich Kunst studieren können, doch das Studium der Nachrichtentechnik schien mir Erfolg versprechender. Außerdem war ich auch an der Funktechnik sehr interessiert.

Heute kann ich es ja sagen, mit 16 hatte ich bereits meinen ersten UKW-Sender gebaut, und wir gingen jeden Tag von 17:00 bis 19:00 Uhr mit unserem Piratensender, Pop-Musik und flotten Sprüchen auf Sendung, noch bevor Bayern 3 mit seiner Service- und Popwelle moderne Musik auflegte.

Mit 25 Jahren begann dann der Ernst des Lebens, das Berufsleben, in dem ich nicht nur die Revolution der elektronischen Datenverarbeitung erlebt, sondern, wie oben schon geschildert, auch meine Erfahrungen mit dem organisierten Verbrechen gemacht habe.

Ich glaube, irgendwann fragt sich jeder, ob ihn das, was er gerade beruflich ausübt, total erfüllt, oder ob es noch etwas Anderes gibt, was vielleicht mehr Sinn macht. Mit über 50 auszusteigen und etwas komplett Neues aufzubauen, ist ein gewisses Wagnis. Nun, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Da bin ich wahrscheinlich auch durch die Erzählungen meines Großvaters und meines Großonkels geprägt worden. Mein Großvater hatte ein eigenes Geschäft, eine Hufschmiede und mein Großonkel eine Tankstelle und eine Werkstatt für Landmaschinen. Mein Großonkel hatte immer davon geträumt, dass eines Tages einmal seine Fabrikschlote rauchen. Diese Geschichten und Träume, die man als Junge natürlich aufsaugt wie ein Schwamm, haben mich mein Leben lang begleitet und waren auch mit Ausschlag gebend dafür, mein eigenes Theaterunternehmen zu gründen.

Die Stücke schreibe ich zum Großteil selbst. Das Leben hat mir auch genügend zündende, Abend füllende Stoffe mitgegeben. Gott sei Dank haben wir auch großartige Mitarbeiter und Schauspieler, die gemeinsam mit mir unser Theater die letzten Jahre durch Dick und Dünn geführt haben. Die nächste Krimikomödie hält schon wieder meine Gedanken fest im Griff. Wer ist dieses Mal der Mörder? Kommen Sie zu Dine & Crime und finden Sie es selbst heraus. Und vergessen Sie nicht: hinter jedem Krimi steckt ein Körnchen Wahrheit.